01.04.24
Mister Nice Guy
Noch kein Jahr im Amt, erfreut sich Armin Hartmann, der neue Kulturvorsteher des Kantons Luzern, überall grosser Beliebtheit. Wie macht er das?
Aurel Jörg (Text) und Sara Furrer (Bilder)
Nichts – niemand sagt ein schlechtes Wort über Armin Hartmann. Wo man sich auch umhört, bei Lehrer:innen, bei Kulturschaffenden, man erfährt das Gleiche: Hört zu, ist interessiert. Hartmann Armin aus Schlierbach, Jahrgang 1977, ist Regierungsrat, Vorsteher des Bildungs- und Kulturdepartements des Kantons Luzern – und Mitglied der SVP. Und damit dem Klischee nach kein Wunschkandidat eben jener Lehrer:innen und Kulturschaffenden. Armin Hartmann mag Martin Suter und Thomas Mann. Die grossen Opern mag er auch. Vor seinem Amtsantritt führte er die Geschäfte eines kleinen Beratungsunternehmens und amtete als Gemeindeammann von Schlierbach, einem Dorf mit weniger als tausend Einwohner:innen. Vor allem aber trimmte er als Kantonsrat während 16 Jahren die Finanzpolitik auf tiefe Steuern und Sparsamkeit. Beharrlich und unauffällig. Nun steht der promovierte Volkswirt rund 6500 Personen als Chef vor und verwaltet mit den Bereichen Bildung und Kultur die grössten Ausgabenposten des Kantons.
Der Menschenfreund
Mit den Menschen kann er es, der Hartmann. «Ich habe schon erlebt, wie er ganze Tischgesellschaften unterhalten hat», erzählt Korintha Bärtsch, Fraktionschefin der Grünen und ehemalige Kollegin im Kantonsrat. Er sei gesellig und finde leicht den Zugang zu anderen. Ein Eindruck, den viele in der Luzerner Kulturszene teilen: Er sei an fast jedem grösseren Anlass präsent, hört man unisono. Das kommt gut an. «Ich mag gerne Menschen, finde spannend, wie unterschiedlich sie sind», sagt Armin Hartmann dazu. «Ich bin fasziniert von ihren Stärken und Schwächen.» Auf die Frage, ob er immer gut ankommen wolle, antwortet er: «Ich streite gerne, hart in der Sache, aber fair im Ton. Auf Podien ist es mir beispielsweise wichtig, den Schlusspunkt versöhnlich zu gestalten.» Armin Hartmann weiss sich zu inszenieren und geht kommunikativ in die Offensive. Dies wurde deutlich, als die «Luzerner Zeitung» (LZ) zu Jahresbeginn ein Porträt über das Hip-Hop-Duo M$G aus Willisau veröffentlichte. In ihrem Song «Hopp Lozärn (Explicit Disstrack)» äussert sich die Formation kritisch über den Regierungsrat: «Kulturförderkasse eis riese Loch.» Im Porträt der LZ auf den Song und die Zeile angesprochen, meint Ramon Juchli vom Duo M$G: «Ich fände es super, wenn sich der Regierungsrat melden würde.» Die Einladung von Armin Hartmann zum Gespräch sei postwendend gekommen, sagt Juchli – allerdings via Journalistin der LZ. Und die war bei der Aussprache dann auch dabei. Der entsprechende Beitrag erschien Anfang Februar. Hartmann zeigt darin Verständnis für die prekären finanziellen Verhältnisse von Kulturschaffenden.
Den Diskurs mitprägen, die Öffentlichkeit suchen – so funktioniert Politik heute. Aber unter den zwei Vorgängern von Hartmann, Marcel Schwerzmann und Reto Wyss, wäre diese Offenheit und Nahbarkeit undenkbar gewesen. Armin Hartmann hingegen ist geschickter und nahm die öffentliche Einladung zum Gespräch, oder wie er sagt, «die Aufforderung zum Tanz», an. Ramon Juchli bestätigt: «Hartmann nahm sich Zeit und hörte zu. Wir hatten nicht den Eindruck, dass er sich rechtfertige oder uns belehren wollte. Vielmehr spürten wir ein ehrliches, fast schon naives Interesse.» Hartmann, der sich auch als Technokind bezeichnet und Sohn eines Jodel-Dirigenten ist, weiss: «Es ist der Ton, der die Musik macht», oder wie er im Gespräch zuspitzt: «In 20 Jahren Politik habe ich eines gelernt: Wie ich es sage, ist wichtiger, als was ich sage.»
«In 20 Jahren Politik habe ich eines gelernt: Wie ich es sage, ist wichtiger, als was ich sage.»
Der Finanzpolitiker
Das Gespräch mit Armin Hartmann findet am runden Tisch statt. Den rechteckigen vom Vorgänger wollte er nicht mehr. Dies erwähnt er beiläufig. Seine Wirkungsstätte ist grau in grau, bieder und gleicht einer beliebigen Amtsstube irgendwo in den Exekutiven dieses Landes. Wenig Persönliches fällt auf, am ehesten zwei Skulpturen: die eines Stiers und die eines Nilpferds. Darauf angesprochen, meint Hartmann, das Nilpferd erinnere ihn daran, nicht «Management by Nilpferd» zu betreiben, also «ab und zu aufzutauchen, das Maul aufzureissen und dann abzutauchen». Der Stier lasse ihn nicht vergessen, «die Dinge bei den Hörnern zu packen». Und dies tut er: Als Kantonsrat, langjähriger Bereichsleiter Finanzen im Verband Luzerner Gemeinden und Präsident der mächtigen Planungs- und Finanzkommission des Kantonsrates – Armin Hartmann war während seiner Zeit im Kantonsrat ein massgeblicher Treiber und Architekt der Finanzpolitik des Kantons Luzern. Und die lässt sich einfach zusammenfassen: tiefere Steuern für weniger Ausgaben. Für Georg Dubach, Fraktionspräsident der FDP Luzern, war Hartmann als Kantonsrat ein «ausgezeichneter und restriktiver Finanzpolitiker». Dubach wünscht sich eine Zugabe in der Regierung: «Ich habe den Eindruck, dass Regierungsrat Hartmann seine restriktive Kostenoptimierungspolitik, die bei ihm als Kantonsrat ausgeprägt war, noch optimieren kann.» Sowohl Verbündete wie politische Kontrahent: innen wissen, Hartmann ist Schwerarbeiter, er gilt als dossiersicher und intelligent. Seine Arbeitstage beginnen vor sechs Uhr. Er meint denn auch lachend, wenn er mit dem Auto von seinem Wohnort Schlierbach ins Büro fahre, sei kein Verkehr auf den Strassen.
Der Schachspieler
Im Jahr 2020 gab der Kanton Luzern laut Bundesamt für Statistik 49 641 602 Schweizer Franken für Kultur aus, darin enthalten sind unter anderem auch die Ausgaben für die Bibliotheken, die Museen und die Denkmalpflege. Das waren 120 Franken pro Kopf und damit unterer Durchschnitt im nationalen Vergleich. Steigen wird dieser Betrag nicht – die SVP war im Kantonsrat die grosse Wahlgewinnerin. Und doch stehen in der kantonalen Kulturpolitik prägende Veränderungen an. Einerseits bauen Stadt und Kanton ein neues Theater. Anderseits teilt der Kanton die Kosten der regionalen Kulturförderung neu auf. Armin Hartmann meint zum Verteilschlüssel, der heute die Kosten für die regionale Strukturförderung vollumfänglich auf die Gemeinden abwälzt: «Der Kanton wird künftig mehr bezahlen als bisher, ähnlich wie bei anderen Verbundsaufgaben ist ein Verhältnis von 50:50 anzustreben. Dies bedeutet auch, der Kanton bestimmt mehr mit. Konkreteres werden wir noch in diesem Jahr kommunizieren.» Ob er denn zum Inhalt des neuen Theaters eine konkrete Vorstellung habe? «Es ist heikel, wenn Politik dem Theater sagt, was es zu tun habe. Natürlich muss es vom Publikum gewürdigt werden, es soll nicht vor leeren Rängen stattfinden. Der Kostendeckungsgrad ist unser Steuerungsinstrument.»
Armin Hartmann ist ambitionierter Schachspieler. Mit einer ELO-Zahl (diese misst die Spielstärke von Schachspieler: innen) von aktuell 2078 gilt Hartmann als «Meisteranwärter». Den Vergleich zwischen Schach und Politik findet er zweischneidig: «Klar, eine gute Strategie ist wichtig, aber ich will mit offenem Visier politisieren. An diesem Anspruch lasse ich mich messen.» Er hört zu, einmal mehr – und kommt einer Forderung der IG Kultur Luzern, einen kantonalen Kulturdialog für mehr gegenseitiges Verständnis zu lancieren, nach. Dieser Dialog, der bereits in einem regierungsrätlichen Planungsbericht von 2014 skizziert ist, wird dieses Jahr erstmals im September stattfinden. Der Dialog soll den Austausch zwischen Kanton und Kulturhäusern verbessern und institutionalisieren. Eine wichtige Geste, die ausser Zeit nicht viel kostet. Mit Millionenbeträgen wird Hartmann weniger grosszügig sein als mit seinem offenen Ohr.